Yosho ist ohne Frage einer der Newcomer des Jahres. Gerade mal einen einzigen Song brauchte es, um von sich reden zu machen. Aus gutem Grund: „Andere Stadt“ war eine Reise durch die unterschiedlichen Gefühlswelten des Aufbruchs und eine moody Melange aus Rap und Indie, einzigartig im Vibe. Mit eindringlicher Stimme und eindrücklicher Sprache bettete der 23-Jährige seine Melancholie auf einige wenige Klavierakkorde und Gitarrensaiten. Das Zimmer am neuen Wohnort ebenso halbleer wie das Herz, das ob der neuen Hoffnung doch immer schneller schlägt. Leben wollen und das nicht nur so meinen, sondern auch wirklich machen. Mal schauen, was passiert. Mitten in den Moment hinein – aber trotzdem alles festhalten, weil man sonst zu schnell vergisst.
Nachdem der Song innerhalb kürzester Zeit viral ging, droppt Yosho jetzt die „Lärm„-EP mit zwei neuen Tracks, die eine ganz ähnliche Richtung einschlagen. Bildliche Lyrics, nie kitschig, nie abstrakt, sondern on point und zugänglich, die eine Welt kreieren, deren Themen und Probleme einer ganzen Generation aus dem Herzen sprechen – und die in der Musik ihre klangliche Entsprechung finden. In einer Welt, in der kurze Aufmerksamkeitsspannen und oberflächlicher Konsum dominieren, glaubt Yosho an die tiefere Verbindung, die Musik schaffen kann. „Wenn man ihnen die Chance gibt, sich tiefer zu befassen, sich einzulassen auf die Musik, dann werden sie darauf auch eingehen.“
Unterstützung bekommt Yosho dabei von samyy, der als Executive Producer für das Projekt fungiert und dem Kölner Produzenten salux. Um die Jahrtausendwende am Chiemsee geboren und aufgewachsen, kreuzen sich die Wege der beiden vor gut sechs Jahren zufällig auf einer Party zum ersten Mal. „Musikmachen hat zu dem Zeitpunkt noch gar keine Rolle gespielt“, erinnert sich Yosho. „Ich habe erst danach in einer Story gesehen, dass samyy Beats macht. Ich hatte zwar hier und da schon Berührungspunkte mit Rap, aber habe dann erst wegen ihm mit Musik angefangen.“ Tagsüber und unter der Woche gehen beide, mittlerweile Freunde, ihren Jobs und dem Studium nach, in der Freizeit und an den Wochenenden gehen sie ins Studio und kreieren aus ihren vielfältigen musikalischen Einflüssen von XXXTentacion und King Krule oder OG Keemo über Jean Dawson bis Wesley Joseph und Pearl Jam einen ganz eigenen Sound. „Aber der Spagat zwischen Job und Hobby war schon anstrengend“, erinnert sich Yosho. „Wir haben beide gemerkt, dass wir eigentlich gerne freier an der Musik arbeiten würden.“ Anfang 2023 kündigen beide ihre Jobs, ziehen nach Wien und richten sich in der angemieteten Wohnung statt einem Wohnzimmer ein Studio ein. Eine Entscheidung, die sich auszahlt. Schon nach kurzer Zeit geht der Track „Andere Stadt“ viral, ehe jetzt die „Lärm“-EP erscheint.
Ein Vorhaben, dass mit der „Lärm“-EP ohne Zweifel gelingt. Schon der Titeltrack ist in seiner wehmütigen Tristesse ein besonderes Stück Musik. Zu einem behutsam gespielten Klavier und im Nirgendwo verhallenden Gitarren erzählt Yosho auf gerade mal anderthalb Minuten von dem Gefühl, nicht ganz da und nicht ganz weit zu sein, hin- und hergerissen zwischen den Orten und Zeiten, aber auch den Emotionen. „Nach meinem Umzug nach Wien saß ich in meinem neuen Zimmer und habe alles zum ersten Mal so ein bisschen verarbeitet: Neu in der Stadt, weit weg von allen Freunden und den Eltern, ist das Leben mit einem Mal viel intensiver geworden – und gar nicht nur so positiv, wie man sich das vorher ausgemalt hat“, erzählt Yosho.
Ein Vibe, dem er auch mit „Eigentlich“ nachspürt. „Wir leben Stunden auf Stunden, in paar Sekunden, die fliegen / wir hängen Jahre in Tagen, weil wir Entscheidungen schieben“, singt Yosho zu einer leisen Produktion von dem Gefühl, dass das Leben eigentlich doch gut sein müsste, wie es ist, aber trotzdem irgendetwas nicht stimmt und die Fassade bröckelt. Ein anderer Ort, aber dieselben Probleme, Fragen und Ängste. Vielleicht sogar noch ein paar mehr. Ständig etwas los, schwer zu sich selbst zu finden.
Den Songs von Yosho wohnt etwas Magisches inne, das schwer in Worte zu fassen ist. Man muss hören, wie der Newcomer die unterschiedlichsten Einflüsse ganz unbedarft und in bester DIY-Manier zum Soundtrack einer ganzen Generation verbindet. Zum Beispiel bei der diesjährigen c/o Pop, auf der Yosho im Yuca Club einen mit Spannung erwarteten Gig spielen wird.